Frauen haben im Wahljahr 2019 eine besondere Aufmerksamkeit: nach dem Frauenstreik und der Aktion 'Helvetia ruft!' ist die Frage nach der Vertretung von Frauen im Parlament vielfach diskutiert worden. Auch das DigDemLab hat bereits geschaut, ob Frauen weniger häufig in den sozialen Medien präsent sind (nein, sind sie nicht: Erste Einblicke in Social Media), und festgestellt, dass Männer sie häufig in der Aufmerksamkeit übertrumpfen (mit Jacqueline Badran als erfolgreichste Twitter-Frau der Schweiz). Doch wie ist das in den traditionellen Medien? Die Logik läuft da ein bisschen anders als im Netz ab: statt völlige Freiheit sind es Redaktionen, welche die Beiträge diskutieren und somit die Präsenz von Frauen in der Öffentlichkeit lenken können. Aus diesem Grund präsentieren wir heute eine erste Auswertung, wie häufig Frauen eigentlich in den Tages- und Wochenzeitungen genannt werden, und ob dies mit der Vertretung im Parlament und auf den Wahllisten zusammenhängt. Die Daten hierfür haben wir von der Schweizer Mediendatenbank SMD erhalten. Diese Auswertung entsteht im Rahmen der Zusammenarbeit mit Selects, der Schweizer Wahlstudie, und der Medienanalyse der Wahlen 2019.

Ja, Frauen sind untervertreten

Das Bild der ersten Grafik ist relativ deutlich: Frauen sind sowohl im Wahlkampf wie auch in den Medien untervertreten. Der linke Punkt pro Partei ist jeweils der Frauenanteil auf den Listen, d.h. zeigt die Bemühungen der Parteien, wie viel Frauen gefördert und für National- und Ständerat aufgestellt wurden. Nur bei den Grünen und der SP entspricht dies etwa dem Bevölkerungsanteil (mit 54 respektive 52 Prozent Frauen auf den Listen). Bei allen anderen Parteien sind Frauen bereits von Anfang an untervertreten, am deutlichsten bei der SVP, wo nur knapp ein Viertel der Kandidaturen weiblich sind.

Dieses Bild ist ebenfalls in den Medien so. Unser Vorgehen ist folgendermassen: wir untersuchen alle Texte seit dem ersten Januar darauf, ob ein Kandidat oder eine Kandidatin in Zusammenhang mit ihrer Partei genannt wird (beispielsweise Regula Rytz und Grüne oder GPS, wobei Partei und Namen innerhalb von zwei angrenzenden Sätzen sein müssen). Über alle Nennungen hinweg betrachten wir den Anteil der Nennung der Kandidatinnen. Der rechte Punkt pro Partei in der Grafik entspricht diesem Anteil. Zusätzlich haben wir jeweils noch die Parteipräsidien, welche besondere Aufmerksamkeit erhalten, ausgeschlossen, und mit einem Sternchen als zweiten Wert eingefügt.

Das Fazit ist klar: die Medien verstärken die Verzerrung sogar noch weiter. Beispielsweise bei der FDP: rund 42 Prozent der Kandidaturen sind weiblich, aber nur 30 Prozent der Nennungen von FDP-Kandidaturen in den Medien sind von Frauen. Männer werden also deutlich häufiger aufgegriffen, genannt und zitiert. Wenn wir die Parteipräsidentin Petra Gössi ausschliessen, fällt der Anteil weiblicher Nennungen sogar auf 22 Prozent, also gerade noch knapp auf einen Fünftel. Dieser Wert wird nur noch von der SVP unterboten, wo Frauen nur in 17 Prozent der Medienbeiträge genannt werden (und dann ist es häufig Magdalena Martullo-Blocher).

Wie wichtig Parteipräsidien sind zeigt sich am Beispiel der bereits erwähnten Präsidentinnen Regula Rytz und Petra Gössi: werden diese bei ihren Parteien augeschlossen, so ist der Anteil jeweils deutlich tiefer, d.h. die bewusste Förderung einer Frau durch die Partei kann den Auftritt entsprechend weiblicher gestalten. Umgekehrt ist bei den anderen Parteien (mit Ausnahme der SVP, wo der Wert sowieso bereits im Keller ist) eine leicht verstärkende Wirkung der männlichen Präsidien zu beobachten, am deutlichsten bei den zwei Kleinparteien glp und BDP. Diese haben allgemein weniger Auftritte, und die Fokussierung auf die Präsidien (beides Männer) bei diesen wenigen Auftritten schlägt so mehr in die Statistik ein.

Neukandidierende oder Bisherige: was ist dominanter?

Bis hierhin haben wir alle Kandidaturen berücksichtigt. Diese können von den Parteien durchaus strategisch genutzt werden, um einen weiblicheren Eindruck zu machen: der Aufwand, Frauen (wie auch Männer) als ListenfüllerInnen zu engagieren ist vergleichsweise geringer, als diese tatsächlich gewählt zu kriegen. Der Frauenanteil bei den Bisherigen ist deshalb für die meisten Parteien deutlich tiefer als der Anteil Frauen auf den Listen. Bei der FDP zeigt sich der deutlichste Absturz: nur 18 Prozent der Bisherigen sind Frauen, während auf den Listen eigentlich 42 Prozent Frauen antreten. SP und glp haben eine gleichmässige Vertretung, während die Grünen eine Übervertretung der Frauen mit 64 Prozent haben (und somit den tiefen Frauenanteil im Parlament zumindest teilweise kompensieren).

Allerdings zeigt sich auch: die Bisherigen können teilweise den tiefen Frauenanteil in den Medien erklären. Bei der FDP und der CVP ist der Frauenanteil unter den Bisherigen jeweils etwa 20 Prozentpunkte tiefer, was viel näher an dem (tiefen) Wert in den Medien ist als wenn dieser Wert mit dem Anteil an Kandidaturen verglichen wird. Bisherige scheinen also die Medienberichterstattung durchaus zu dominieren, was auch nicht erstaunlich ist: bei mehr als 4'600 Kandidaturen für National- und Ständerat sind die etwa 200 bisherigen National- und Ständeräte natürlich bekannter und somit für Medienberichterstattung naheliegender als die 4'400 neuen Kandidierenden.

Interessant ist hier auch der Effekt bei der SP, die auch bei den Bisherigen einen klaren Fall im Anteil hat (gleich ausgeprägt wie bei der glp). Wieso könnte der Effekt bei der SP so klar sein? Eine mögliche Erklärung sind die vielen Rücktritte bei der SP im Ständerat: während bei anderen Parteien häufig meist Männer zurücktreten, sind es bei der SP politische Schwergewichte wie Pascale Bruderer Wyss, Anita Fetz und Géraldine Savary. Diese Personen (wie alle anderen nicht mehr antretenden National- und Ständeräte) sind in den Daten nicht vorhanden, sodass die SP-Frauen nach unserer Statistik klar untervertreten sind. Es gibt also zwei mögliche Erklärung für diesen klaren Fall bei der SP: Entweder wir berücksichtigen Artikel nicht, was den Frauenanteil allgemein, aber nicht für den Wahlkampf, verzerrt; oder diese Rücktritte ermöglichen es den bisherigen Männern mehr Aufmerksamkeit in den Medien zu erhalten, während die bisherigen Frauen noch zu wenig präsent sind bei den Medien um die rücktretenden Ständerätinnen zu ersetzen.